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Schulen

Sechs Ideen für eine modernere Schule

Die Schule wandelt sich. Vielen nicht schnell genug. Sechs Vorschläge für ein neues Schulsystem.

1987 herrschten noch andere Sitten und Gebräuche in der Schule. Die Wandtafel und Kreide, schöne Schriften und herrliche Bilder an der Wand prägten den Schulbetrieb, als ich rasselnd durch die Lehrprobe fiel, weil ich nicht singen konnte und, nun ja, Zeichnen konnten die meisten der Kinder besser als ich. Mein Lehrpatent erhielt ich trotzdem, unter der strengen Bedingung, dass ich mich nie bewerben dürfe. Ein Lehrer, der keinen Musikunterricht erteilt, das ginge gar nicht. Tempi passati. Immer noch sind Lehrpersonen in vielen Kantonen händeringend gesucht. Doch wie ginge es besser? Das Schulmuseum Bern stellt auf schulezukunft.ch fünf Initiativen für die Schule der Zukunft vor. Und wir sechs weitere Ideen dazu.

KI assistiert im Unterricht

Der Taschenrechner – die älteren Menschen erinnern sich – wurde damals verteufelt, der Einsatz der Computer sei schädlich für das Lernen und überhaupt, Kopfrechnen müsse man können. Ähnliche Diskussionen laufen derzeit zum Thema KI: Wie soll sie in die Schule integriert werden? Einig ist man sich, dass ein Weg gefunden werden muss, die KI zu nutzen, die Lehrpersonen weiterzubilden. Denn schliesslich wird sich die KI auch in der Wirtschaft festsetzen, auf die die Schule vorbereiten muss.

Schon heute lassen sich KI-Systeme gut für die Unterrichtsvorbereitung einsetzen, mit Software wie classtime.com können Prüfungen aufgesetzt und automatisiert ausgewertet werden, Schülerinnen und Schüler erhalten durch die KI permanent Feedback zu ihren Lernfortschritten. Auch Medienkompetenz lässt sich mit ChatGPT hervorragend trainieren. Der Luzerner Primarlehrer Werner Odermatt war einer der Ersten und gab SRF zu Protokoll: «Du musst immer kritisch sein.» Und die Wirtschaftspädagogin Sabine Seufert, die Bildungsinstitutionen zum KI-Einsatz berät, zum Magazin «einstein»: «Wir müssen lernen, mit der KI zu kollaborieren und Kompetenzen zu entwickeln, die später wichtig werden. Gleichzeitig wollen wir die Sozialkompetenz und emotionale die Inte­lligenz von Lehrpersonen damit stärken.» ­Gymnasiallehrer und Medienexperte ­Philippe Wampfler sagte dem Elternmagazin «Fritz und Fränzi», die KI sei ein Hilfsmittel wie der Taschenrechner. Er lässt damit Texte überarbeiten, entwickelt aus eigenen Recherchen und Werken Vergleiche mit den Leistungen der KI und stärkt damit menschliche Kompetenz.

Allerdings gibt es für den flächendeckenden Einsatz von KI noch zahlreiche Hindernisse. So fehlen einheitliche Richtlinien. Und es ist unklar, was mit den von Schülerinnen und Schülern eingegebenen Daten geschieht. Toni Ritz, Direktor der Fachagentur educa im Blog der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren: «Auf die Qualität der Daten kommt es an, wenn wir Algorithmen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen trainieren, um zu spezifischen Situationen verlässliche Voraussagen zu erhalten.» Die Fachtagung educa24 am 
18. September 2024 will Licht ins Datendunkel der KI-Systeme bringen.

Lebens- und Lernraum Social Media

Soziale Medien beeinflussen die Kinder stark und sind gleichzeitig lauter, härter, kommerzieller und asozialer geworden. Der Niedergang der ehemals intellektuell geprägten Austauschplattform Twitter (heute «X») ist ein Beispiel dafür. Aber auch TikTok steht unter Verdacht, seine Algorithmen so einzustellen, dass Nutzerinnen und Nutzer süchtig nach den Inhalten werden. In den USA soll die chinesische Plattform nun sogar verboten werden – nicht aufgrund der Gesundheitsgefährdung, sondern weil TikTok unverschämt viele Daten sammelt.

Eine moderne Schule muss muss trotzdem Social Media in den Unterricht integrieren – es ist ein digitaler Lebensraum der Schülerinnen und Schüler. «Es geht um das Erwerben einer Kultur der Digitalität», nennt es Pionier Philippe Wampfler. Es geht auch um das Erkennen von Fakes und von Beeinflussungsfaktoren.

Notenfreie Schule

Die Kritik an Schulnoten hat in der letzten Zeit zugenommen, auch weil Lehrpersonen gleiche Leistungen unterschiedlich bewerten. Zeugnisnoten seien keine Hilfe beim Finden der passenden Lehrlinge, kritisierte jüngst der Wirtschaftsdachverband economiesuisse. Einer Umfrage von Sotomo zufolge wollen 51 Prozent der befragten Eltern eine Schule ohne Noten. Besonders die jüngeren Eltern sehen Noten kritisch.

Die Stadt Luzern verzichtet als erste auf Prüfungsnoten. Die Rückmeldungen erfolgen künftig in Form von Feedbackgesprächen oder Kompetenzrastern, Lerntagebüchern oder einem Lernkompass. Damit könne die Schule stärker auf die inviduellen Lernbedürfnisse der jungen Menschen eingehen. Bereits arbeiten Schulen in vielen Kantonen ohne Prüfungsnoten.

Auf eigenen Wegen

Individuelle Lernpfade und das klassische Schulsystem kollidieren immer wieder. Es sind auf die Schülerinnen und Schüler abgestimmte Wege zum Lernziel, die in unterschiedlichem Tempo beschritten werden. Bei solchen strukturierten Lernprozessen unterstützen Lernmanagementsysteme, neu auch die KI oder Software zur automatisierten Testauswertung für individuelle Zwischenprüfungen. Unterwegs auf seinem eigenen Lernpfad, begleitet von der Lehrperson und einer KI, das lässt die individuellen Stärken entfalten.

Mehrgenerationenschule

Das Zusammenfassen von Kindern nach Jahrgängen in den Klassen ist nach wie vor der Standard. In kleinen und kleinsten Gemeinden ist das aufgrund geringer Schülerzahlen nicht möglich, mehrere Jahrgänge lernen zusammen. Ältere Kinder unterstützen die jüngeren. Das beschreiben Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler immer wieder als bereichernd. Mit drei Generationen in einem Klassenzimmer ergeben sich neue Perspektiven für alle. Pro Senectute bietet mit dem Programm «Generationen im Klassenzimmer» einen weiteren Dialog an, denjenigen mit der älteren Generation in der Schule, im Kindergarten und als Aufgabenhilfe. Kinder profitieren vom sozialen Austausch untereinander und mit anderen Bezugsgruppen.

Verwaltungsrat statt Klassenrat

Wie könnten sich Jugendliche besser auf die Wirtschaft vorbereiten als mit der Gründung einer eigenen Firma? Alleine beim jährlichen Wettbewerb von Young Enterprise Switzerland bewerben sich jeweils pro Jahr rund 200 Teams: Schülerfirmen sind ein schulisches Projekt, in das viele Kompetenzen hineinfliessen, auch wenn der Markt und das rechtliche Konstrukt nur simuliert werden. An Ideen für einen Businessplan mangelt es kaum. So bietet etwa die Lehrmittelzentrale den Einkauf von Materialien via Schülerfirma an. Oder die Jugendlichen entwickeln Seifen oder backen Köstlichkeiten, die sie auf dem Dorfmarkt anbieten. Schülerfirmen sind langfristig angelegt und sollten von der Schulleitung sowie den Eltern getragen und aktiv begleitet werden.